24 Stunden von Nortorf im Selbstversuch

24 Stunden von Nortorf im Selbstversuch

Text und Bild: Yasha Dahlmann / Red.: Guido Cicholas

„24 Stunden lang Rennrad fahren: Kann ich das?“ fragen sich sicher viele. Nur wenige probieren es aus. ERG1900-Fahrer Yasha Dahlmann suchte sich eine geeignete Veranstaltung und wagte nach einem ersten Versuch im Vorjahr erneut den Sprung ins kalte Wasser. Lest, wie es dazu kam und wie es ihm dabei erging.

Um herauszufinden, ob man so etwas überhaupt kann und auch mag, kann man sich natürlich einfach auf das Rad setzen, losfahren und schauen, wo man – im Idealfall – nach 24 Stunden landet. Oder man fährt überaus ambitioniert stetig im Kreis, naheliegend wäre hier z. B. die Runde um den Baldeneysee.

Oder man sucht sich eine der darauf spezialisierten Veranstaltungen, meldet sich an und bekommt eine Startnummer für ein 24 Stunden-Rennen. Die Bekanntesten, die man auch ohne Lizenz fahren kann, sind wahrscheinlich 24 Stunden von Kehlheim, 24 Stunden am Nürburgring oder das 24 Stunden-MTB-Rennen in Duisburg.

Ich habe mich für die fast familiäre Veranstaltung 24 Stunden von Nortorf entschieden, die am 7. Juli 2018 stattfand. Die Veranstaltung ist ein Radmarathon für Einzelfahrer, also kein Rennen. Am Vortag ging es mit dem Zug von Essen über Hamburg nach Nortorf, einer Kleinstadt mit knapp 6.000 Einwohnern zwischen Hamburg und Flensburg. Dort verbrachte ich eine angenehme Nacht auf letztmalig gefedertem Untergrund in einer ortsansässigen Pension. Nach einem ausgiebigem Frühstück und 3 km Spazierfahrt kam ich zum Startpunkt. Ein Schulkomplex war zweckentfremdet worden und beherbergte nun ausnahmsweise keine quirligen Kinder, sondern ca. 175 Radsportverrückte. Statt Klassenarbeiten galt es heute Startunterlagen abzuholen, Transponder zu montieren und Equipment zu verstauen. Nach dem Besuch der von vielen Starter/innen frequentierten Toilette und einer kurzen Ansprache des Organisators ging es um kurz vor 10 Uhr auch schon los.

Der Rundkurs war überschaubare 28 km lang und beinhaltete ca.100 Höhenmeter. Die Strecke führte über verkehrsarme Landstraßen ohne Ampeln oder Bahnübergänge. Nach jeder Runde fuhr man durch einen Zielbogen, an dem auch die Zeiterfassung war. Bereits kurz nach dem Start ging es schnell zur Sache. Meine Überraschung war groß, als sich direkt zwei Gruppen bildeten. Eine schnelle Gruppe mit ca. 30 Personen, in der auch ich mich befand, und eine langsamere mit den restlichen Fahrer/innen. Mein Blick auf den Tacho zeigte stetig die Zahl 40: Wie soll das denn 24 Stunden gehen? Doch nach drei Runden kam dann die 40 auch schon seltener vor. Nach sechs Runden fiel die Gruppe, in der ich fuhr, auseinander und ich fand mich wechselnd mit fünf, drei oder auch nur einem Fahrer wieder. Eines war klar, ohne Pause würde ich es so nicht bis zum nächsten Tag schaffen.

Meine erste Pause kam nach sechs Runden – ca. 167 km – und dauerte 10 Minuten. Die Verpflegungsstation war gut ausgestattet. Für jeden Geschmack und Verdauungstrakt war etwas dabei. Es gab Nudeln, (Anm. d. Red.: natürlich) Bananen, und viel weiteres Obst. Aber auch Nutellabrote, Rollmöpse, Frikadellen, Lachsschnittchen waren da. Querbeet halt.

Nach weiteren zwei Runden kam die nächste Pause und nach weiteren drei Runden wieder eine, bis es gegen 22 Uhr langsam dunkel wurde. Diese Uhrzeit bedeutete auch: Halbzeit! Schon mal 12 Stunden rum! Zu diesem Zeitpunkt hatten schon ca. 50 Fahrer/innen aufgegeben bzw. das Rennen beendet. Ein Grund war u. a. der sehr starke Wind. Auch wenn wir tagsüber Sonnenschein und bis zu 22 °C hatten, so zehrte der starke Wind mit Böen bis Stärke 8 an den Kräften.

Also, noch weitere 12 Stunden im Sattel. So seltsam es auch klingt – in der Nacht war es überraschend angenehm, zu fahren. Das lag zum einen an dem nachlassenden Wind und zum anderen an dem sternenklaren Nachthimmel. Unterwegs war ich nun hauptsächlich alleine. Selten ergab sich noch eine Gruppe, in der man sich die Führung teilen konnte.

Nun kamen auch die Schmerzen, die ich schon von meinem ersten Versuch im Vorjahr kannte: Der Po, der Rücken, die Füße, die Waden – am Ende machten sich alle immer stärker bemerkbar. Mein Wille und die aufgehende Sonne halfen mir über den Schmerz. Am Ende fährt man eben auch mit dem Kopf.

Gegen 5 Uhr wurde es langsam hell, ich hatte über 500 km auf meinem Tacho und die 600er Grenze war in Sicht- aber nicht in Fühlweite. Die Belastung machte sich nun voll bemerkbar und ich musste nochmals mein Tempo reduzieren und häufiger kleine Pausen einlegen. Um 9:05 Uhr war dann endgültig Schluss und es ging nichts mehr.

Das Ergebnis: 588 km und Platz 19.

Der Sieger ist übrigens rund 780 km gefahren, also knapp 55 mal um den Baldeneysee.

Wer sich an eine 24 Stunden-Fahrt – Rennen oder Marathon oder selbst organisiert – heranwagen möchte, sollte dafür trainieren und regelmäßig möglichst lange Ausfahrten – 5 Stunden und mehr – ins Training einbauen, um sich und den Körper an solche Umfänge zu gewöhnen. Das ist für viele eine größere Herausforderung, als man auf den ersten Blick meinen könnte: Ich bin z. B. Vater von fünf Kindern und konnte sicherlich nicht immer so umfangreich trainieren, wie ich vielleicht gerne gewollt hätte. Ich kann euch, wenn ihr nach einer passenden Veranstaltung sucht und abenteuerlustig seid, die 24 Stunden von Nortorf aufgrund der familiären Struktur und der wenigen Höhenmeter sehr empfehlen.

> Informationen zur Veranstaltung

 

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