Burning Roads 2013

Volker war beim Ochtruper Fahrradmarathon „Burning Roads“ unterwegs und berichtet von seinem 400-Kilometer-Erlebnis:

„Burning Roads 2013, Samstag, 08.06.13
85 Starter, Start: 02.00 Uhr
Strecke: Ochtrup (bei Gronau) –
Steinhuder Meer (bei Hannover) und return.
401 km
Zieleinlauf: 20.30 Uhr
Zeit: brutto 18,5 Stunden (inkl. 4 Pausen á 15 Minuten,
1 Pause 1 Stunde), netto 16,5 Stunden!

Da bekomme ich doch glatt von Thorsten, dem Organisator von „Burning Roads“ am Dienstag, den 04.06. eine Email, dass ich von der Warteliste in die Startliste gerutscht sei. Und wenn ich noch Interesse hätte mitzufahren, bräuchte ich nur Bescheid zu sagen.
Mmmh, Mist. Hatte ich völlig vergessen, die Anmeldung. Vor Monaten hatte ich im Netz drüber gelesen und ohne nachzudenken eine Mail geschickt. Und das Bergzeitfahren findet doch am 07.06. in Essen statt. Wollte ich doch hin. Um Drittletzter zu werden.
Und während der Hin- und Herüberlegerei wurde zugesagt. Und überhaupt: 400 Kilometer. Pah. Nach und nach kam mir mein Hintern in den Sinn. Was er wohl antworten würde, wenn ich ihn frage. Und überhaupt: vielleicht werde ich ja noch krank bis zum Freitag. Und: wie lang war nochmal meine längste Strecke, die ich gefahren bin? 180 km? Zehn Minuten später hatte ich sie mir auf 210 km hochgelogen.
Also, schnell eine günstige Pension gebucht und hin. Freitagmittags natürlich Stau auf der A 40, auf der A 2 – ist das ein Zeichen? Angekommen, schnell zur Pastaparty. Die Organisatoren und ein paar Fahrer spachteln Nudelteller um Nudelteller in sich hinein – ich auch. Ein belgischer Fahrer, halb so groß und halb so schwer wie ich erzählt mir tolle Geschichten über lange Strecken in Belgien und Luxemburg. Mir wird ganz anders. Das einzige, was ich kann ist: Sprinten. Sonst NIX. Sollte ich doch lieber wieder abreisen? Auf meinem Gesicht allerdings zeigte ich kein Anzeichen von Schwäche oder Zweifel. Warum auch, der Rest des Körpers wusste doch Bescheid.

Ok, schnell in die Pension und vorschlafen. So mein Plan. Um 00.00 Uhr schlief ich dann auch ein, nur um 01.00 Uhr wieder geweckt zu werden. Pah. Nervös? Neee, ich nicht. Ok ok ok, rein in Radklamotten, die zwei weiteren Fahrer, die dort ebenso übernachteten, warteten schon. In der Dunkelheit zum Start, einschreiben, Vorderrad wechseln (10 Meter vor der Startlinie Platten!!!) und ab.

Schön ist anders. Totale Dunkelheit und kalt. Die ersten Gesprächen mit anderen Fahrern fingen doch recht zähflüssig an. Marathonis halt, dachte ich so vor mich hin.

Dann das erste Highlight so um 05.00 Uhr. Der Sonnenaufgang, in den wir frontal hineinfuhren. Links vorne die Sonne, der Nebel über den Feldern. Und Störche. Und Rehe. Und Wärme. Ein wunderbares Gefühl, Teil der Natur zu sein. Mir schien, die Gespräche verstummten beim Anblick dieser Schönheit. Ist natürlich Quatsch. Rennradfahrer quatschen ja wie Waschweiber früher. In einer Tour. Und einige hatten unglaublich Geschichten zu erzählen. Der, der 230km am Stück läuft. Oder der, der 6 mal 160km an aufeinander folgenden Wochenenden läuft. Und der, der vor Jahren nach Teheran fuhr. Und wieder zurück. Tolle Typen. Und eine Frau, die von sich behauptete, sie wäre noch nie lang gefahren, um sich dann auf den letzten 100 km nur noch vorne aufzuhalten.

Nach 200 km endlich am Steinhuder Meer angekommen. Um 10.30 Uhr dicke Nudelteller, quasi Mittagessen. Und die Sonne wurde wärmer und wärmer.

Nach einer Stunde alle wieder aufs Rad und zurück. Und direkt in die ersten zwei Steigungen. Der ein oder andere Rülpser konnte im Feld nicht unterdrückt werden. Und so ganz langsam meldete sich ein Körperteil nach dem anderen. Der Rücken, erst unten, dann oben. Die Arme wollten nicht zurückstehen, die Hände ebenso. Immer mal wieder in den Wiegetritt. Und er nahm auch im Feld zu.

So nach 300 km wurde es dann auch im gesamten Feld immer ruhiger. Gedankenärmer von Minute zu Minute, immer mehr auf das Wesentliche geworfen: treten. Und atmen. Den Schmerz ertragen, dehnen und fahren. Und die Schmerzen nicht zu sehr zeigen – dies gelang allen ganz gut. Wie sich später herausstellte schmerzte einiges bei allen.

Und plötzlich hörten wir von den beiden wunderbaren Guides: nur noch 10 Kilometer. Mehrfach vorher schon als Ankündigungen für die Pausen. Doch jetzt klang es anders. Kraftvoller. Heller. Und tatsächlich: die letzten Kilometer waren angebrochen. Und plötzlich waren alle Schmerzen weg. Wir wurden wieder schneller, umfuhren in einigen Schleifen Ochtrup um dann auf der Hauptstrasse ins Ziel zu radeln.

Zum ersten Mal in meinem Leben hab ich mich über Blasmusik gefreut, dargeboten von der örtlichen Blaskapelle. Und ein großes Lächeln ging über mein Gesicht. Mein Körper und meine Psyche und mein Leben habe ich während der 401 km komplett und gleichzeitig einzeln gespürt. Und die Disziplin kam von ganz alleine. Und der Wille, der mit dem inneren Schweinehund diskutierte. Der Schweinehund wurde zum Schluss nicht mehr gesehen.

Danke an die Organisatoren, die Fahrer und Fahrerinnen. Und an Thorsten, den Hauptorganisator. Der zum ersten Mal wegen einer leichten Bronchitis nicht mitfahren konnte und so eins der drei Begleitfahrzeuge fuhr. Ihm hat sein Hinter mehr wehgetan als uns allen zusammen.“

Ein Gedanke zu „Burning Roads 2013

  1. Von wegen du kannst nur Sprinten! Du kannst langes Radfahren genießen – auch wenn du gerne mal aufs Tempo gedrückt hättest – hast Augen und Ohren für deine Umwelt und die anderen und du kannst auch noch flott schreiben!
    Einer von den „früheren Waschweibern“

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